Eine kommunale 5%-Hürde ist rechtswidrig und macht politisch keinen Sinn. Trotzdem fordert die Saarbrücker SPD sie. Mal wieder.
Laut Grundgesetz gilt die „Gleichheit der Wahl“, d.h. auch, dass sich alle Stimmen gleich auf die Parlamentssitze auswirken, die sog. Erfolgswertgleichheit. Bei Bundes- und Landtag wird dieser Grundsatz durch die 5%-Hürde eingeschränkt, um eine Zersplitterung der Gesetzgebung zu verhindern. Weil Gemeinderäte aber keine Gesetzgebung betreiben, sondern zur Verwaltung gehören, hat der saarländische Verfassungsgerichtshof die kommunale 5%-Hürde als verfassungswidrig verworfen.
Auch politisch ist sie sinnlos. In vielen Gemeinderäten gilt wegen der geringen Sitzanzahl bereits jetzt eine „natürliche Hürde“, in den Bezirksräten liegt diese bei 4,8%. Und im Stadtrat regiert mit SPD, Grünen und Linken dieselbe Mehrheit wie zu Zeiten der 5%-Hürde. Nicht eine Entscheidung ist bisher an kleinen Parteien gescheitert. Im Gegenteil, das Hickhack um die Wahl eines Baudezernenten zeigt doch, dass SPD, Grüne und Linke der Entscheidungsfindung oftmals selbst im Wege stehen. Zugegeben, die SPD hat jetzt weniger Ausschussmitglieder und kleine Parteien sind oft unbequem. Aber ist es nicht verlogen, wenn die SPD einerseits für eine bunte Gesellschaft und Vielfalt demonstriert und andererseits bei politischen Entscheidungen andere Meinungen aussperren will?
Anmerkung: Bei der Wochenspiegel-Kolumne handelt es sich um ein Format, bei dem die Vertreter der Fraktionen im Saarbrücker Stadtrat wöchentlich zu einem aktuellen Thema Stellung beziehen. Für die Freien Demokraten wechsele ich mich hierbei mit meinem Fraktionskollegen Karsten Krämer ab. Damit alle Fraktionen die Möglichkeit haben, sich im Wochenspiegel zu äußern, ist die Anzahl der zur Verfügung stehenden Zeichen auf insgesamt 1460 begrenzt. Dies gewährleistet Chancengleichheit für die Fraktionen, zwingt jedoch dazu, sich knapp zu halten und nicht alle angesprochen Fragen umfassend zu erläutern.
Ohne Zeichenbegrenzung hätte ich die Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs gerne ausführlicher dargestellt, der sehr deutlich gemacht hat, dass die 5%-Hürde gegen unsere Verfassung verstößt, und warum. Im Übrigen ist dies nicht nur eine saarländische Entscheidung gewesen, auch in anderen Bundesländern wurde die 5%-Hürde für Kommunalwahlen bereits durch Verfassungsgerichte und Gesetzgeber abgeschafft.
Auch die Arbeit im Rat hätte ich gerne ausführlicher dargestellt. Aus meiner Sicht ist es eine Bereicherung der Ratsarbeit, dass viele verschiedene politische Ansichten miteinander in Wettbewerb treten und alle Stadträte gezwungen sind, nicht nur die eigene Blickweise durchzusetzen, sondern sich mit anderen Meinungen zu befassen. Das mag für die SPD im Stadtrat unbequem und mühsam sein, aber es steht nirgendwo geschrieben, dass Demokratie bequem sein muss. Im Gegenteil, gerade die Reibung der unterschiedlichen Argumente befruchtet die Entscheidungen im Stadtrat ungemein. Was die Zersplitterung angeht, so gibt es die in kleinen Gemeinderäten und Bezirksräten schon deshalb nicht, weil dort aufgrund der geringen Sitzzahl immer eine natürliche Hürde besteht. Und auch in den anderen Räten ist mir kein einziges Beispiel bekannt, in dem kleine Parteien, die bei einer 5%-Hürde nicht im Rat wären, die Arbeit dort unmöglich gemacht hätten.
Die SPD will es sich einfacher machen. Saarbrücken zu regieren ist aber nicht einfach. Die 5%-Hürde bedeutet für sie mehr Sitze, weniger Gegenwehr, mehr Einfluss und Fraktionsgelder. Dabei verschwendet sie wichtige Energie. Statt Meinungsvielfalt in den Räten sollte sie lieber Geldverschwendung, bürokratische Hürden und Belastungen der Bürger abbauen.